Strukturierte Daten statt PDF-Ablage

Gastroenterologe Dr. med. Roger Wanner war zu Gast an der Paneldiskussion von Well zur Zukunft des Gesundheitswesens. Welche technologischen Neuerungen nutzt er selbst und was erwartet er von digitalen Lösungen?

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Dr. med. Roger Wanner, Facharzt für Gastroenterologie
Im Gesundheitswesen von heute wird noch viel zu viel telefoniert und abgetippt.
Dr. med. Roger Wanner
Facharzt für Gastroenterologie

Interview mit Roger Wanner

Wie und wo nutzen Sie neue Technologien in Ihrer Praxis?

Bei der Prozessoptimierung setze ich stark auf Automatisierung. Wir haben beispielsweise QR-Codes für die verschiedenen medizinischen Materialien. Das erleichtert den Bestellprozess: Jede Lieferung wird automatisch mit der Bestellung abgeglichen und bezahlt.

Kommen auch bei der Behandlung neue Technologien zum Einsatz?

Ja, wobei es dort nicht um die Effizienzsteigerung geht, sondern um eine Optimierung der Diagnosemöglichkeiten. Ich habe als erste Praxis in Europa bei Darmspieglungen zusätzlich künstliche Intelligenz eingesetzt. Dieses Assistenzsystem ist geschult auf Mustererkennung. Und im Unterschied zum menschlichen Gehirn ermüdet es nicht und kann nicht abgelenkt werden. In Kombination mit der ärztlichen Expertise können so noch akkuratere Diagnosen gestellt werden.

Wo sehen Sie den Nutzen digitaler Ökosysteme im Praxisalltag?

Zum Beispiel beim digitalen Praxis-Check-in, bei der Medikamentenplanung und bei diagnostischen Services. Im heutigen Gesundheitswesen wird noch viel zu viel telefoniert und abgetippt. Am wertvollsten ist aber die Zeit, die ich dem Patienten vis-à-vis bin. Alles andere ist tote Zeit – und die kann und muss mit digitalen Lösungen minimiert werden.

Worin genau liegt die Vereinfachung?

Wenn beispielsweise ein Patient den Symptom-Checker von Well ausfüllt, erhalte ich die Daten strukturiert in «meine Welt». Es handelt sich nicht um eine Inselplattform, bei der ich die Daten abholen muss. So gewinne ich Zeit für das Wesentliche. Für mich sind das die Basics: Ein PDF ist nicht digital, sondern ein elektronisches Bild. Wir benötigen jedoch strukturierte Daten, mit denen alle arbeiten können.

Welche Bedeutung haben diese strukturierten Daten für die Behandlung?

Hausärzte haben früher immer hervorgehoben, dass sie gute Arbeit leisten, weil sie den Patienten und seine Familie kennen. Mit der Digitalisierung haben auch wir Spezialisten die Möglichkeit, diese Einblicke zu bekommen: nämlich über die Daten. Darum ist es so wichtig, dass auch wir die Daten in unserem Kontext verfügbar haben. Denn das Gesamtbild ist für die Behandlungsqualität zentral, sonst betrachten wir nur einzelne Symptome.

Well will die Selbstbestimmung der Patienten fördern. Heisst das nicht einfach, dass Verantwortung abgeschoben wird?

Es geht nicht um ein Abschieben von Verantwortung, sondern um einen Einbezug in die Behandlung. Ich habe täglich mit chronisch Kranken zu tun. Über Monate und Jahre erreichen sie eine gewisse Gesundheitskompetenz. Heute müssen Laborwerte in der Praxis gemacht und besprochen werden. Dabei wäre es für die Patienten viel einfacher, das zu Hause zu machen.

In der Schweiz wird stark auf Wahlfreiheit gesetzt. Muss es eine Pflicht geben, sich einem digitalen System anzuschliessen, damit es genutzt wird? Wenn ein System gut ist, machen die Leute freiwillig mit. Wenn es schlecht ist, muss es obligatorisch sein.